Spezialthema: Vorzeitiger Reiserücktritt bei Pauschalreisen wegen Covid 19-Pandemie? Umbuchungsverpflichtung der Reisenden?

 

Sehr viele Frühbucher, aber auch die Reiseveranstalter selbst sind durch die „Coronakrise“ aus heiterem Himmel ziemlich  hart getroffen worden. Eine gewisse Verunsicherung hat sich gerade iZm reiserechtlichen Fragen – auch verstärkt durch teilweise unrichtige Äußerungen und Stellungnahmen in der Öffentlichkeit – zusätzlich breit gemacht.

 

Faktum ist nun einmal, dass zu diesem Spezialthema eines vorzeitigen Reise-Rücktrittsrechts bei Pauschalreisen unter solchen Umständen aktuell noch kaum brauchbare Rechtsprechung existiert.

 

Das österreichische Pauschalreisegesetz (PRG), durch das die vollharmonisierende EU-Reise-Richtlinie (RL) 2015/2302 umgesetzt wurde, ist erst am 1. Juli 2018 in Kraft getreten. Es enthält meines Erachtens jedoch bedeutsame gesetzliche Bestimmungen, die auf bereits gebuchte Pauschalreisen und einen allfälligen vorzeitigen Reiserücktritt angewendet werden können. Es gilt für Pauschalreiseverträge zwischen einem Reisenden und einem Unternehmen (etwa Reiseveranstalter und Reisevermittler) bzw für korrespondierende Vermittlungsverträge von verbundenen Reiseleistungen.

 

Bereits die gesetzliche Begriffsdefinition im PRG, unter welchen Voraussetzungen denn nunmehr überhaupt eine „Pauschalreise“ vorliegt, kann bei unklaren oder komplexen Reiseleistungen durchaus zur Denksportaufgabe werden.

 

Beschränken wir uns hier einmal auf eine sehr eingeschränkte (halbwegs verständliche) Definition, nämlich, dass eine „Pauschalreise“ zumindest eine Kombination aus mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise ist. Bei Unklarheiten ist hier eine juristische Prüfung durch einen Fachmann unerlässlich.

 

Gemäß der Kardinalbestimmung des § 10 Abs 2 PRG kann der Reisende vor Reiseantritt ohne Bezahlung einer Rücktrittsentschädigung (vor dem PRG hieß es meistens noch „Stornogebühr“) vom Pauschalreisevertrag zurücktreten, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.

 

Epidemien und Pandemien dürften meiner Meinung nach solche unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstände darstellen. Allerdings ist gerade der Zeitpunkt eines Rücktritts entscheidend und mit Bedacht zu wählen.

 

Denn auch nach dem (noch relativ jungen) PRG gilt nämlich, dass ein Reisender nicht vorschnell den Rücktritt erklären darf, sondern die weitere Entwicklung abwarten muss, und dass ein kostenfreier Rücktritt nur auf solche Umstände gestützt werden kann, die bei der Buchung noch nicht vorhersehbar waren. Es ist hier also besondere Vorsicht geboten!

 

Übrigens besteht diesfalls nach dem PRG trotzdem auch ein kostenfreies Rücktrittsrecht, wenn ihm der Reiseveranstalter eine Umbuchung auf eine gleichwertige Ersatzreise anbietet. Die schon vielfach gehörte Behauptung, man müsse als Kunde ein Umbuchungsangebot des Reiseveranstalters aufgrund gesetzlicher Bestimmungen annehmen, kann getrost ins Land der Märchen verwiesen werden ……….

 

Weiters gilt nach § 10 Abs 2 PRG, dass ein Rücktrittsrecht nur dann ausgeübt werden kann, wenn die Umstände, die der Reisende moniert, am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe auftreten. Das heißt in anderen Worten, dass etwa Ereignisse am Heimatflughafen oder an einem anderen Ort, der entsprechend weit vom Bestimmungsort entfernt ist, keinen kostenfreien Rücktritt begründen. Ob die bisherige Rechtsprechung des OGH, dass Reisewarnungen (erst ab den höchsten Stufen 5 und 6 stand ein Rücktrittsrecht meistens außer Frage) für die Gerichte bei ihrer Entscheidung verbindlich sind, beibehalten wird, kann mE aktuell niemand mit der notwendigen Sicherheit vorhersagen. Hier können und werden die Gerichte für Aufklärung sorgen müssen.

 

Sollte ein Kunde nach einer Buchung allenfalls eine Anzahlung noch nicht getätigt haben, könnte er – wenn es zu keiner amikalen Einigung mit dem Reiseveranstalter kommt – die sogenannte Unsicherheitseinrede gem. § 1052 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) erheben. Denn selbst wenn man zu einer Vorleistung verpflichtet wäre (was einen zustande gekommenen Vertrag voraussetzt), kann man die eigene Leistung zurückbehalten, wenn unsicher ist (etwa wegen schlechter Vermögensverhältnisse des Reiseveranstalters), ob die Gegenleistung überhaupt erbracht werden wird. In Zeiten einer Thomas Cook Insolvenz bzw der Staatshilfenbeantragung der TUI als Europas größtem Reiseanbieter sowie von diversen Fluglinien kann dem Argument einer Unsicherheit in der Branche wohl nur schwer entgegengetreten werden. Übrigens gibt es diese Unsicherheitseinrede auch in Deutschland (§ 321 BGB - Bürgerliches Gesetzbuch).

 

Ob eine durch den Reiseveranstalter veranlasste gerichtliche Klärung vor einem Reisebeginn tunlich oder zeitlich überhaupt ein Thema bzw realistisch ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber dieses Risiko trägt dann zunächst der Reiseveranstalter und muss dann der Kunde zumindest nicht einer bereits geleisteten Anzahlung nachlaufen …….

 

Viele Reiseveranstalter sind hier kundenfreundlich, aber könnte die Krise für viele auch existenzbedrohlich werden, sodass - wie ich in der Praxis auch sehe - schon um Anzahlungen gekämpft wird.

 

Am Rande sei auch erwähnt, dass - was in der öffentlichen Diskussion etwas untergeht - auch der Reiseveranstalter aus gewissen Gründen vom Vertrag zurücktreten kann. Dies etwa bei zu wenig Buchungen einer Reise mit einer Mindestteilnehmerzahl; oder etwa, wenn der Reiseveranstalter ebenfalls aufgrund unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände an der Erfüllung des Vertrags gehindert ist und seine Rücktrittserklärung dem Reisenden unverzüglich, spätestens jedoch vor Beginn der Pauschalreise zugeht (Genaueres hierzu in § 10 Abs 3 PRG).

 

Der Reiseveranstalter hat dem Reisenden bei einem berechtigten Rücktritt nach dem PRG alle von diesem oder in dessen Namen für die Pauschalreise geleisteten Beträge unverzüglich, spätestens jedoch binnen 14 Tagen ab Zugang der Rücktrittserklärung, zu erstatten.

 

Zusammenfassend ist also auf Basis der aktuellen Rechtslage vor einem frühzeitigen Reiserücktritt Vorsicht geboten und die Sachlage individuell prüfen zu lassen. Sollten sie darüber hinaus besondere Gründe für einen vorzeitigen Rücktritt ins Treffen führen können, kann selbstverständlich auch eine individuelle Lösung geprüft und allenfalls auch geltend gemacht werden.

 

Ich wünsche Ihnen/Euch allen noch frohe Osterfeiertage und einen schönen Frühlingstag!

 

Ihr Henrik Gunz

 

 

Stand 11.04.2020

 

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