Maskenpflicht, Quarantäne, Homeoffice, Betretungsverbote, persönliche Einschränkungen, Einengung der Bewegungsfreiheit, usw. Die "Corona-Krise" mit Ihren vielen neuartigen und ungewohnten beruflichen und persönlichen Beschränkungen ist auch eine Herausforderung für jede Art von menschlichen Beziehungen. Sie hat auch in vielen partnerschaftlichen Beziehungen bereits „zu dicker Luft“ und Ehekrisen geführt. Die Zahlen der Scheidungswilligen steigen laut Medien sprunghaft an, was sich auch mit meinen Wahrnehmungen aus der Praxis deckt.
Scheidung wegen Verschulden eines Partners
Können sich die Ehegatten auf eine einvernehmliche Scheidung nicht einigen, kann der „scheidungswillige“ Ehepartner gegen den Willen des anderen die Ehe nur aus wichtigen Gründen mit Ehescheidungsklage beenden. Voraussetzung einer Scheidungsklage ist also, dass der Ehepartner eine sogenannte schwere Eheverfehlung gesetzt hat (sogenannte Scheidung aus Verschulden). Heut wird also im Ehegesetz (EheG) nicht mehr explizit von (absoluten) Scheidungsgründen (wie einst) sondern von Eheverfehlungen gesprochen.
Das Ehegesetz geht vom Zerrüttungsprinzip aus: eine schwere Eheverfehlung muss nämlich auch zur Zerrüttung der Ehe geführt haben, damit die Ehe vom Gericht geschieden werden kann.
Eine Eheverfehlung stellt ein solches Verhalten dar, das sich gegen die sich aus der Ehe gebenden Verpflichtungen richtet.
Die wichtigsten dieser "ehelichen Pflichten" sind etwa: die Pflicht zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, zum gemeinsamen Wohnen und zur Haushaltsführung, aber auch die Unterhaltspflicht, die Mitwirkung im Erwerb des anderen, die Treuepflicht, die Pflicht zur anständigen Begegnung sowie die Verpflichtung zum gegenseitigen Beistand.
Welche schweren Eheverfehlungen (Scheidungsgründe) gibt es?
Die wichtigste gesetzliche Bestimmung für die Scheidung wegen Verschuldens ist § 49 Ehegesetz. Sie stellt eine Generalklausel dar, die grundsätzlich alle denkbaren Scheidungsgründe aufnimmt (ohne sie einzeln aufzuführen, was aufgrund der Fülle von Möglichkeiten untunlich wäre).
Das Ehegesetz erwähnt in seinem § 49 explizit nur 3 Gründe, die eine schwere Eheverfehlung bedeuten:
"Eine schwere Eheverfehlung liegt insbesondere vor, wenn ein Ehegatte die Ehe gebrochen hat oder dem anderen körperliche Gewalt oder schweres seelisches Leid zugefügt hat."
Die Rechtsprechung anerkennt daneben aber auch jedes Verhalten eines Ehegatten als schwere Eheverfehlung an, das sich gegen das Wesen der Ehe und die damit verbundenen Pflichten richtet und aufgrund der Schuld des Ehepartners so gravierend ist, dass dem anderen Ehepartner die Fortsetzung der Ehe unerträglich gemacht wird.
Damit die Eheverfehlung als Scheidungsgrund herangezogen werden kann, muss sie also objektiv schwer sein. Bei der Beurteilung der Schwere ist grds. auf Durchschnittsmenschen abzustellen, aber auch die gesellschaftliche Stellung (bzw das "Milieu") zu berücksichtigen. Also - wie so oft - abhängig von den Umständen des Einzelfalles.
Eine leichte Eheverfehlung wird also für eine Scheidungsklage nicht ausreichen. Allerdings kann diese als Scheidungsgrund in Frage kommen, wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg gesetzt wird und so gleichzeitig zu einer Zermürbung des anderen Ehegatten führen.
Zu Eheverfehlungen sind aber nicht nur aktive Handlungen zu zählen, sondern auch Unterlassungen (etwa das Verschweigen wichtiger und eherelevanter Umstände).
Schwere Eheverfehlungen sind demnach beispielsweise:
- Ehebruch: Der Seitensprung als Scheidungsgrund? Immer wieder höre ich, dass ein Seitensprung kein Scheidungsgrund mehr sei. Diese Meinung ist schlichtweg unrichtig. Das Eherechtsänderungsgesetz 1999 hat den Ehebruch als Scheidungsgrund nicht beseitigt. Der Ehebruch ist also nach wie vor eine schwere Eheverfehlung und führt zur Scheidung der Ehe, wenn er zur Zerrüttung der Ehe beigetragen hat. Der Ehebruch kann also nach wie vor zur Scheidung der Ehe führen.
- körperliche Misshandlung oder die Zufügung von seelischem Leid
- schwere Kränkungen und Psychoterror
- unbegründeter Auszug aus der gemeinsamen Wohnung ("böswilliges Verlassen") Tipp: Holen sie dringend die schriftliche Zustimmung ihres Ehepartners für eine vorübergehende räumliche Trennung ein, bevor sie einfach ausziehen. Ein Fehler der sehr häufig passiert und nachteilige Folgen haben kann.
- "Rauswurf" aus der Ehewohnung
- Verletzung der Unterhaltspflicht
- grundlose Eifersucht
- Zanksucht, Hysterie
- Vernachlässigung der Haushaltsführung
- Verletzung der Pflicht zur gemeinsamen Haushaltsführung, wenn beide Ehegatten berufstätig sind
- andauerndes liebloses und feindseliges Verhalten oder beharrliches Schweigen
- beharrliche und grundlose Verweigerung des Geschlechtsverkehrs trotz Aufforderung
- aber auch die zu häufige geschlechtliche Inanspruchnahme bzw übermäßige geschlechtliche Anforderungen an den Ehepartner
- Verletzungen des Einvernehmlichkeitsgebots, wie heimliche Abhebungen vom Konto, heimliche größere Investitionen, Verschweigen des Einkommens oder der Ersparnisse, heimlicher Schwangerschaftsabbruch …
- Verletzungen der Pflicht zur anständigen Begegnung, wie Alkoholismus, Ausgrenzung des Partners von den Freizeitaktivitäten …
- Anzeige des Ehepartners beim Finanzamt
- Auszug aus dem Schlafzimmer oder Aussperren eines Ehepartners aus der Wohnung oder dem gemeinsamen Schlafzimmer, usw
- Bordellbesuche
- permanente Rechthaberei oder notorisches Nörgeln
- Peinliches Bloßstellen des Ehepartners
- Religiöser und politischer Fanatismus
- Grundlose Eifersucht
- Gefährliche Drohungen, Beschimpfungen und Respektlosigkeit
- Unzulässige Überwachung (Installation einer Überwachungskamera, etc)
- Mitteilung intimer Details aus dem Eheleben an Dritte
Auseinandergelebt ohne schwere Eheverfehlungen, was dann?
Haben sich die Ehepartner auseinandergelebt, ohne dass einem von ihnen die Schuld am Scheitern der Ehe vorgeworfen werden kann, sollte eine einvernehmliche Scheidung das Ziel sein. Denn eine Verschuldensscheidung ist auf dieser Basis grds. nicht möglich.
In solchen Konstellationen kann ein Ehepartner gegen den Willen des anderen die Scheidung erst durchsetzen, wenn die häusliche Gemeinschaft zwischen den Ehepartnern seit mindestens 3 Jahren aufgehoben ist.
Auch der Ehepartner, der am Scheitern der Ehe „schuld“ ist, kann gegen den Willen des „schuldlosen“ Partners die Scheidung nur erzwingen, wenn die häusliche Gemeinschaft seit mindestens 3 Jahren aufgehoben ist.
In der Praxis besteht jedoch trotz dieser formalen (zeitlichen) Hürden (zumindest bei gewisser Einsicht und vernünftigen Verhandlungen) vielfach trotzdem die Chance auf eine frühzeitige - dann einvernehmliche - Scheidung!
Meines Erachtens besteht gerade hisichtlich dieser 3-Jahresfrist dringender Refombedarf.
Ihr Henrik Gunz