Gilt ein im SPAM-Ordner gelandetes E-Mail (zivil-)rechtlich als zugegangen?

In der Praxis wird dem SPAM-Ordner und den dort eingelangten E-Mails manchmal zu wenig Beachtung geschenkt. Dieses Verhalten sollten wir (sofern keine evidente Virengefahr besteht) aber überdenken. Warum eine Ignoranz des SPAM-Ordners in rechtlicher Hinsicht mit Nachteilen verbunden sein kann, lesen sie in meinem heutigen Blog. 

 

Im E-Commerce-Gesetz (ECG) werden bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäfts- und Rechtsverkehrs geregelt.

 

§ 12 des E-Commerce-Gesetzes lautet:

 

Elektronische Vertragserklärungen, andere rechtlich erhebliche elektronische Erklärungen und elektronische Empfangsbestätigungen gelten als zugegangen, wenn sie die Partei, für die sie bestimmt sind, unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann. Diese Regelung kann nicht zum Nachteil von Verbrauchern abbedungen werden.

 

In einer ganz aktuellen OGH-Entscheidung (OGH 20. 2. 2019, 3 Ob 224/18i) hat das österreichische Höchstgericht im Rahmen einer zurückweisenden Revisionsentscheidung wichtige Klarstellungen für Wirtschaft und Verbraucher im elektronischen Geschäftsverkehr  getroffen. Er hat nämlich den Ausspruch des Berufungsgerichts bestätigt, wonach für den Zugang (gerade auch rechtlich relevanter) elektronischer Erklärungen eine Kenntnisnahme durch den (E-Mail-) Empfänger nicht vorausgesetzt wird. Entscheidend sei vielmehr (nur) die Möglichkeit der Kenntnisnahme „unter gewöhnlichen Umständen“ (hier: Zugang im „Spam-Ordner“ des Empfängers).

 

Im gegenständlichen Fall ging es um einen Immobilienmakler, der im Zusammenhang mit der Vermittlung eines Reihenhauses eine Maklerprovision begehrte. Die Käufer traten nach der (grds. richtigen) Rücktrittsbelehrung eines Rechtsanwalt vom Maklervertrag zurück, was bekanntlich nach dem FAGG (Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz) bei einem im Fernabsatz (etwa elektronisch per E-Mail) abgeschlossenen Vertrag binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen möglich ist.

 

Den im Gerichtsverfahren festgestellten Verlauf der wechselseitigen Erklärungen (Telefonate und E-Mail-Erklärungen vor dem Besichtigungstermin) hat das Berufungsgericht laut OGH zu Recht als konkludenten (wenn also eine Handlung eine Willenserklärung impliziert) Abschluss eines Maklervertrags qualifiziert. Und dieser Zeitpunkt des festgestellten Vertragsabschlusses lag außerhalb der vorher beschriebenen 14-tägigen Widerrufsfrist nach dem FAGG, weil etwa auch das vom Immobilienmakler elektronisch übermittelte Angebot mit Hinweisen auf die Grundlagen der Maklerprovision, Belehrungen über Rücktrittsrechte nach FAGG und KSchG sowie einem Muster-Rücktrittsformular, das unbemerkt im SPAM-Ordner landete, als zugegangen gewertet wurde. Dies, obwohl die Käufer keine Kenntnis davon erlangten, aber eben erlangen hätten können!

 

Deshalb wurde die 14-tägige Frist für eine ordnungsgemäße Rücktrittserklärung von den Käufern nicht eingehalten und erhielt der Immobilienmakler seine Vermittlungsprovision vom OGH auch zu Recht zugesprochen.

 

Ich empfehle Ihnen daher im eigenen Interesse, auch ihren SPAM-Ordner bzw die dort eingelangten E-Mails gut im Auge zu behalten. Bei "Virenangst" könnte zumindest mit einem bekannten Absender zwecks Abklärung des Inhalts seiner Nachricht in Kontakt getreten werden.

 

Ich wünsche Ihnen noch ein schönes Wochenende ohne ungelegene Mails (im SPAM-Ordner).

 

Ihr Henrik Gunz